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Hexenverfolgung am Oberrhein
Der Teufel vermöge, wenn Gott es zulasse, uns allen durch die Hexen Schaden zuzufügen, und oft stehlen sie ein
Kind und legen es sich selbst in die Wiegen.
Luther (Kommentar zum Galaterbrief)
Wer kennt sie nicht, die närrischen Hexen der heutigen Fastnacht mit ihren furchterregenden Kostümen und Masken. Und doch macht sich kaum jemand Gedanken darüber, was es noch vor kaum 300 Jahren bedeutete, wenn der Ruf "alte Hexe" erscholl. Damals waren solche und ähnliche Rufe gleichbedeutend mit dem Todesurteil. Die armen Frauen wurden von ihren Häschern gefaßt, in den Hexenturm geworfen und der "peinlichen Befragung" (heute nennt man es Folter) unterzogen. Foltergeräte der mittelalterlichen Strafjustiz sind viele bekannt: der spanische Reiter, mit welchem die Unterschenkel zerquetscht wurden, Daumenschrauben oder glühende Eisen und Zangen, das Aufziehen mit Gewichten an den Beinen oder auch der "Hackersche Stuhl", die Erfindung eines Offenburger Scharfrichters, ein mit Eisenspitzen gespickter Stuhl, unter dem ein Feuer angezündet wurde.
Häufig wurde auch die Wasserprobe angewandt. Die gefesselte Angeklagte wurde von einer Brücke ins Wasser gestürzt, ging sie unter und ertrank, war das der Beweis für ihre Unschuld, schwamm sie jedoch obenauf, war sie schuldig. Bei der peinlichen Befragung mußten immer noch mehrere Personen denunziert werden, selbst Kinder wurden nicht verschont. Dabei wurden oft noch 10 bis 20 weitere Hexen benannt. War das Geständnis der eigenen Schuld abgelegt, hörte der Hexenrichter nicht auf, sein Opfer zu foltern, bis die Zermarterte andere lebende Personen als Hexen benannt hatte. Auch wurde mancherorts eine Art Kopfgeld ausgesetzt. 1628 versprach der Offenburger Magistrat jedem, der eine Hexe einlieferte, zwei Schilling Pfennig Fanggebühr. In der Landvogtei Ortenau wurde 1573 eine Frau sogar auf die Aussage ihres eigenen Sohnes hin verbrannt.
Lautete das Urteil auf Todesstrafe, unterschied man zwischen einfachem oder qualifiziertem Tod. Zu den einfachen Todesstrafen zählten: Erhängen, Ertränken und Enthaupten. Qualifizierte Todesstrafen waren: Pfählen, Rädern, Vierteilen, lebendig Begraben und vor allem der Scheiterhaufen. Als Gnade empfand man es, wenn die Verurteilten statt lebendig verbrannt, vorher mit dem Schwert "vom Leben zum Tode" gerichtet wurde. Verschlimmert wurde das Todesurteil oft noch durch arge Demütigungen und Qualen, welche die Opfer auf dem Weg vom Hexenturm zum "Hochgericht", dem Richtplatz ausgesetzt waren.
So lautete ein Todesurteil in Ettenheim am 04. 05. 1654 gegen Ursula Faber, die Frau des ebenfalls hingerichteten Schultheißen Diebold Faber auf "Verbrennen und vorheriger Pfetzung mit glühenden Zangen und Ausreißen der Brust". Ebenfalls in Ettenheim im Jahre 1667 wurde die Hexe Maria Stör angeklagt wegen: "Schütteln eines Nußbäumchens im Pfaffenbach zu Pfingsten, bevor sie zu spät in die Kirche gekommen sei und hierdurch Verursachung eines Nebels, der die Baumfrüchte verdorben haben soll". Es wurden ihr noch weitere Hexereien zum Vorwurf gemacht, wie "fleischliche Vermischung mit dem bösen Feind, Verleugnung Gottes und seiner Heiligen". Das Urteil vom 16. 08. 1667 lautete dann: "Vors erste sollen büssen mit Leib und Leben, büssen dreimal mit glühenden Zangen gezwackt, erstlich eine Brust, zum andernmal die andere Brust, drittens sonsten am Leib ein Stück ausgerissen werden; der erste Zwack solle ihr vorm Thor, der andere beym Hähnle, der dritte bei der Wahlstatt geben, und alsdann darauf lebendig verbrennt werden". Dies war vermutlich die letzte Hexenverbrennung in Ettenheim. In Ettenheim sollen allein in den Jahren 1625/26 unter Amtmann Johann Ludwig Zorn etwa 20 Hexen exekutiert worden sein. Nach seiner Versetzung brannte der Scheiterhaufen wesentlich weniger oft. So hing die Anzahl der Hexen wohl auch mit dem Eifer des jeweils "regierenden" Amtmanns zusammen.
Eine Hinrichtung war immer ein großes Ereignis für die Bevölkerung. Bei einer Exekution in Ettenheim auf dem Hähnlefeld, nahe der heutigen B3 nahmen um die 5000 Zuschauer teil. 1751 brannte in Endingen vermutlich der letzte Scheiterhaufen in Deutschland. Bei dieser Großveranstaltung waren über 10000 Personen aus dem Umland anwesend. In einer Zeit, in der die ganze Bevölkerung einschließlich der gebildeten Stände von der Seuche des Aberglaubens befallen war, wurden den Hexen die unglaublichsten Taten vorgeworfen. Dinge, die nach physikalischen Gesetzen geradezu unmöglich sind, wurden unter dem Einfluß der Folter von den armen Menschen gestanden. Der Zeitgeist von damals wird auch in einer Predigt eines protestantischen Pfarrers Hermann Stranus, Pastor zu Christenberg, von 1598 deutlich: "Die Mörder und Verderber, Hexen, lehren und schießen die Leute, machen Hagel, Donner, Eis, zwingen die Menschen Tag und Nacht zu laufen, dahin, wohin die Hexen wollen, sie reiten auf Gabeln, Tieren, Stecken, Besen, fahren durch die Luft, verwandeln sich in andere Menschen und Tiere. Wenn der leidige Teufel mit Hilfe der Hexen Gewalt bekommt über ein unschuldiges Kind, so verstopft er die Nerven und hemmt die Lunge, wirft es nieder und hebt es wieder auf als unsichtbarer Geist, wütet und schäumt, bis er es endlich umbringt, wieviel Eltern dieses und dergleichen an ihren Kindern mit groß Schmerzen und Herzeleid sehen. Er zeichnet manches Kind, hängt ihm sein Schandfleck an, ein Kröppel, Hasenscharte, machts blind und taub, auf daß es so zur Welt kommt...."
In vielen Orten gab es spezielle Verliese für die Hexen. In Freiburg diente bis 1704 das Christophs- oder Christoffeltor diesem schauerlichen Zweck. Der Hexenturm in Ettenheim stand in der Turmstraße und wurde 1769 wegen Baufälligkeit abgebrochen. Die Steine wurden zum Kirchenbau verwendet. Auch Kenzingen hatte einen eigenen Hexenturm. In diesen Türmen befand sich unten ein dunkler, feuchter und mit Ungeziefer verseuchter Raum, durch dessen runde Öffnung von oben die Gefangenen an einem Seil hinabgelassen wurden. Das Loch wurde von oben mit einem Eisengitter oder einem Stein versperrt. Solch ein Turm mit Folterkammer und Folterwerkzeugen kann man heute noch in Riquewihr/Elsaß besichtigen. Ein Richtschwert und weitere Utensilien der mittelalterlichen Strafjustiz befinden sich im Endinger Heimatmuseum.
Hexenturm in Thann |
Hexenauge in Thann |
Hexenturm Rouffach |
Schild am Turm in Rouffach |
In unmittelbarer Nähe befindet sich das Restaurant "Hexakessel" mit einer, dem Thema entsprechenden Innendekoration. |
Bei der peinlichen Befragung mußten die Angeklagten auch diejenigen Personen benennen, welche angeblich beim Hexensabbat, Hexentreffen oder ähnlichen Zusammenkünften gesehen wurden. Orte, an welchen Hexentreffen stattfanden, gab es in unserer Region viele. Da sind genannt: der Nägelesee in Freiburg, der Kastelberg, der Heuberg und Rötelberg bei Ringsheim und der Hühnersedel in Freiamt. In weitem Umkreis bekannt war auch der Kandel. In der Walpurgisnacht flogen die Hexen auf gesalbten Stöcken oder in Kutschen mit Schimmeln bespannt dem Kandel zu. Und, als ob die Hexen ihre vergangene Macht demonstrieren wollten, stürzte in der Walpurgisnacht 1981 der 70 Meter hohe Kandelfelsen zu Tal. Ein Ereignis, welches auch in der Presse Erwähnung fand.
Ein Großfeuer zerstörte 1533 die Schwarzwaldstadt Schiltach bis auf ein Haus. Nach Meinung der Bürger und der Obrigkeit war eine Magd schuld an dem Unglück. Sie wurde verurteilt und als Hexe verbrannt. Die Konstanzer Stadtchronik berichtet von einem schweren Unwetter im Jahre 1453 mit Hagel, welcher die ganze Ernte vernichtete. Fast die gesamte Bevölkerung war der Meinung, daß solches nur durch "Behexung" geschehen konnte. Man fand schließlich eine "Wetterhexe", welche "gefänglich eingezogen, vom Leben zum Tode hingerichtet und verbrannt" worden ist.
Wie verheerend die Brände im 16. und 17. Jahrhundert wüteten, belegen folgende Zahlen, wobei es sich nur um in den Akten nachweisbare Fälle handelt. Die tatsächliche Zahl der damals Hingerichteten liegt vermutlich weit höher. Im Elsaß begannen die Hexenprozesse im 16. Jahrhundert, erreichten aber erst nach 1570 ihren Höhepunkt. In diesem Jahr wurden in Schlettstadt vier Hexen zum Scheiterhaufen geführt. Um 1570 wurden im Elsaß , Schwaben und Breisgau 800 Personen verbrannt. Von 1615 bis 1635 fielen im Bistum Straßburg rund 5000 Frauen und Mädchen den Flammen zum Opfer. 1576 wurden in Waldkirch 27 Frauen hingerichtet, 1603 waren es 21, darunter die Frau des Bürgermeisters Peter Spitzenberger. Auch in Buchholz brannten die Scheiterhaufen. Aus dem Jahre 1631 sind hier 16 Exekutionen überliefert. Im Bereich Kandel - Elztal sind von 1576 bis 1632 allein 88 Hinrichtungen bekannt.
Eine der letzten Hexen wurde 1751 in Endingen verbrannt. Folgendes hatte sich zugetragen: "Am 07. März 1751, nachmittags um halb zwei Uhr ist in einem Stall in Wyhl ein derart heftiges Feuer ausgebrochen, daß binnen einer Stunde über 80 Häuser in Flammen standen. Das war damals weit über die Hälfte des ganzen Dorfes. Die Glocken läuteten Sturm und Feuerreiter galoppierten in die benachbarten Ortschaften. Es kamen Löschmannschaften aus Weisweil, Oberhausen, Forchheim, Kenzingen, Riegel, Endingen, Bahlingen, Amoltern, Königschaffhausen, Kiechlinsbergen, Leiselheim und Sasbach zu Hilfe geeilt. Der Schaden, welcher auf rund
80 000 Gulden geschätzt wurde, war für die Bewohner des Dorfes enorm. Noch während der Löscharbeiten munkelte man über "Hexerei", von der "Hilfe des Teufels" und daß etwas "nicht mit rechten Dingen zugegangen sei". Verdächtigt wurde schließlich die 63 jährige Anna Schneidewind, der man nachsagte: "Die hat schon manche Kuh verhext, die Milch zum Gerinnen gebracht mit ihren verteufelten Hexenkünsten, die alte Tratsche". Sie wurde schließlich verhaftet und in Endingen vor das Malefizgericht gestellt. Da wurde sie "peinlich befragt" und gar "scharf examiniert". Unter den unerträglichen Folterqualen gestand sie schließlich, "daß sie ein Pact mit dem Teüfel gehabt, auch mit dessen Beyhilf den erbärmlichen Brand mit Fleiß angesteckt habe". Darauf wurde ihr der Sentenz gefällt, daß sie lebendig solle verbrand werden, welches auch an ihr den 15. April 1751 voll zogen worden. Das Urteyl ward bey dem Endinger Hochgericht auf dem Judenbuck vollzogen". Mehr als 10000 bis 12 000 Zuschauer vom ganzen Kaiserstuhl wohnten der Urteilsvollstreckung bei.
Wie schon erwähnt, war dies vermutlich die letzte Hexenverbrennung in Deutschland. Jedoch der Aberglaube war in der Bevölkerung noch lange verbreitet. So kam es, daß ein 21 jähriger Bauer aus Forchheim bei Endingen in der Nacht zum 07. Juli 1896 seine Großtante erwürgte. Es war bekannt, daß der junge Bauer und dessen ganze Familie die alte Frau für eine gefährliche Hexe gehalten hatten. Angeblich hatte sie schon allerlei Unglück in Haus und Hof gebracht, auch sagte man, sie sei an der Epilepsie des jungen Bauern schuld. Der Täter gestand schließlich seine Tat: er habe "die Welt von dieser Hexe befreien wollen, die schon soviel Unheil angerichtet und ihm die fallende Sucht angetan habe". Dies geschah aber nicht irgendwann im Mittelalter, sondern erst vor kaum 90 Jahren.
Denn wenn es keine Hexen gäbe, wer, Teufel, möchte Teufel sein? (Goethe, Faust II) |
Die Salbe gibt den Hexen Mut, Ein Lumpen ist zum Segel gut, Ein gutes Schiff ist jeder Trog; Der flieget nie, der heut nicht flog! (Goethe, Faust I) |
Literatur, Quellen:
Cautio Criminalis , Friedrich von Spee , dtv
In tausend Teufels Namen , Ingeborg Hecht , Verlag Rombach Freiburg
Geschichte der Hexenprozesse , Soldan-Heppe
Von der Folter in die Flammen , DAMALS das Geschichtsmagazin Heft 10/Okt. 1986
Aufsätze zur Geschichte Ettenheims und seiner Umgebung , Dr. Joh. B. Ferdinand , Hist. Verein für Mittelbaden e. V.
Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten ,
Aufsatz- und Katalogband zur Ausstellung des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe
Wyhl am Kaiserstuhl - einst und jetzt , Fritz Späth , Verlag Emil Wild Endingen