Der Dreissigjährige Krieg am Oberrhein
In einer Zeit, in welcher sich andere Völker überseeische Reichtümer holten und Kolonien gründeten, begann in Böhmen mit dem Prager Fenstersturz ein, für Mitteleuropa unsägliches Kapitel. Es sollten 30 furchtbar verheerende Jahre werden, an dessen Ende im Breisgau wie im Elsass manches Dorf völlig ausgelöscht und die Bevölkerung stark dezimiert war.
Ursprünglich als Religionskrieg aus dem schwelenden Gegensatz der Konfessionen entstanden, wandelte sich der Krieg in seinem Verlauf immer mehr zum politischen Krieg in dem der Kampf um die Vormachtsstellung in Europa ausgetragen wurde.
Die schlimmste Leidenszeit für die Region am Oberrhein begann im Jahre 1632 mit dem Einfall der Schweden. Strassburg, Endingen, Kenzingen und Freiburg wurden in diesem Jahr eingenommen, Breisach belagert.
Graf Johann Hannibal von Hohenems berichtet damals von Breisach aus über seine Fahrt durch den Breisgau:
„Wir hatten uns dieses Elend nit einbilden können. All die ansehnlichen Ortschaften sind verbrannt und zerstört und wir niemand darin gesehen; und begegnet man einmal einem Menschen, so schaut ihm der Hunger und der Tod aus den Augen“.
So hören wir, dass in Rimsingen, Merdingen und Waltershofen alle Hofstätten zerschlagen und Gottenheim und Lehen verbrannt waren. Von Breisach wird berichtet, dass die Hungersnot so arg war, dass man Pferde, Hunde, Katzen und Ratten wie Leckerbissen verzehrte, Häute und Leder sott, aus Eichenrinde Brot buck, Gräser, Laub, ja sogar Leichen verzehrte.
Die Region am Oberrhein wurde abwechselnd von kaiserlichen Truppen, dann wieder von schwedischen Kriegsvölkern durchzogen. Es war ein buntes Völkergemisch von Schweden, Finnen, Lappen und Irländern zu sehen und leider auch zu erleben, wovon die damalige Frauenwelt ein gar trauriges Lied zu singen wusste. Und wenn es diese Völkerschaften nicht waren, so kamen an ihrer Statt die kaiserlichen Kroaten, Kosaken, Polen, Husaren, Spanier und Wallonen. Die armen Bauern konnten wohl oft Freund und Feind nicht unterscheiden. Die Soldateska ernährte sich von dem was das Land noch hergab und hinterlies Elend, Tod und Verwüstung. Es wurde das verkommenste Gesindel aus aller Herren Länder angeworben. Die Truppen wurden immer zuchtloser, die Not in der Region immer grösser. Wenn ein beutegieriges Reitergeschwader unversehens über ein Dorf herfiel, dann hauste es dort wie eine Räuberbande. Wer noch konnte, flüchtete in die Rheinwälder oder auf die Rheininseln, in den Schwarzwald, in die befestigten Städte, auch Basel, Breisach und Riehen werden als Fluchtziele genannt.
Zitat aus der Altdorfer Ortschronik:
„Der ungeheure Hunger zwang die Menschen zu verschiedenen, und zwar unmenschlichen, ja sogar abscheulichen „Nahrungsmitteln“. So verzehrten sie Katzen, Mäuse, Ratten, Frösche und ähnliche Dinge dieser Art sahen sie damals für eine Delikatesse an Speisen an. Sie gruben die Wurzeln von Pflanzen aus und mähten das Gras, das sie nach Art des Viehes assen, so, dass man im Munde mancher Verstorbenen noch das Gras sehen konnte. Weiterhin, sie ekelten sich auch nicht vor dem Fleische verreckter Tiere, das stinkt, sondern sie verzehrten es mit Heisshunger. Sie achteten dessen nicht. Die inneren Organe von Pferden, übel riechend und in den hässlichen Schmutz der Strasse versenkt, unrein im höchsten Grade und von den Füssen vorbeiziehender Pferde noch zusammengetreten, gruben sie wieder aus, befreiten diese innen und aussen vom Schmutz, richteten sie her und verzehrten sie“.
Eine eindringliche Schilderung dieser Leideszeit enthält das Kirchenbuch von Münchweier bei Ettenheim:
„Nachdem nämlich im vergangenen Jahre das Ettenheimer Gemeinwesen unter der Anführung des Herzogs Bernhard von den schwedischen Soldaten um das Fest des hl. Bartholomäus, deren Schutzpatron, dem Feuer überliefert worden ist – in welcher Stadt gleichsam als ein Asyl der umwohnenden Nachbarn diese ihr Getreide verbracht hatten, - so ist auch der letzteren Getreide verbrannt. Und weil wegen der unvorhergesehenen und zwar häufigen Überfälle und Beunruhigungen durch die Soldaten nicht gepflügt werden konnte, wuchs der Hunger ins Ungeheuerlichste, so, dass wen der Krieg und der wütende Mars nicht zu Boden streckte, der wahnsinnige Hunger zugrunde richtete“.
Manchem mag heute noch der Begriff „Schwedentrunk“ bekannt sein. Dazu nochmals ein Auszug aus der Altdorfer Ortschronik:
„Leonhardus Stöckher ist am Schwödischen Trunkh gestorben. Diss war aber der Schwödische Trunkh: wann die Schwödischen, undt andere Solldaten, iemandt ergriffen, in deren häusern sie nichts fanden, noch von ihnen erkündigen möchten, wohin dass eine undt andere verborgen worden, obgleich nichts alss die lähre Armuth bey ihme obhandt hatte, dennoch glaubten es ieme so leicht nicht, sondern banden und fessleten, und bezwangen ihne, so er vielleicht wass verborgen wisse, zu bekhennen: undt zue dem zil bandten sie ihme die händ hintersich auf den Rukhen, legten ihne rückhlings auff den Boden, sätzten sich auff seine knie undt schenkhel, undt wurde fest bey beeden Achslen gehalten. Alssdann nahmen sie ein Räb- oder anderen steckhen, den sie unter seinen Zähnen, damit er den Mundt nicht schliessen möge, halten, daran sie ihme auss der nechsten Pfiz oder Kotlachen genommene wasser in den Mundt undt halss hinab giesseten, undt dannach auf den Magen truckhten, dass oben das Wasser zuem Mundt wider herauss getrieben wurde. Dergestalten handelten sie mit den leüten. Darbey vil starben“.
Und ein Sundgauer von Pfirt (heute Ferrette), gibt folgende, erschütternde Darstellung des grauenvollen Elends:
"Sie (die Soldaten) haben den Leuten das unsauberlichste reverenter Mist in Wasser, darin sie ihren Unrat getan, ganz Zuber voll auf den Ruggen ligent, zum Mundten eingegossen, dernach mit Füssen auf den Bauch gesprungen, dass ihnen solch Wasser mit samt dem Unflat zu Mund, Nasen und Ohren herausgefahren"
Der Krieg hatte die relative Überbevölkerung um 1600 in einen Mangel an Menschen verwandelt. Schätzungen zufolge betrug der Bevölkerungsverlust zwischen 20 und 45 %, wobei die Zahlen in den einzelnen Ämter zwischen 31 und 77% schwanken. Laut einem Bericht des Grafen Johann Hannibal von Hohenembs und des kaiserlichen Obersthofkanzlers Lintner war in Rimsingen und Hausen keine Menschenseele zu erblicken, in Merdingen, Waltershofen war alles zerschlagen und keinen Untertan fand man vor, ebenso auch in Heimbach; in Buchheim, Holzhausen, Benzhausen, Hugstetten, Reute und Hochdorf lebten nur ein paar Leutchen in grösstem Elend. In Merzhausen traf man nur drei Witwen und zwei Kinder, in Munzingen, Zähringen, Föhrental, Norsingen, Ebnet und Biengen fand man gar niemand; Kirchhofen, Bad Krotzingen bildeten ein Trümmerhaufen, Lehen, Buchheim und Gottenheim waren völlig niedergebrannt. An dern Hängen des Kaiserstuhls war von den ehemals terrassenförmig angelegten Rebkulturen nichts mehr als Wildnis, Buschwerk und Jungwald zu sehen, die Überlebenden hausten grösstenteils in Höhlen, die man, meist hinter Buschwerk getarnt, in abseits gelegene Lehmhänge gegraben hatte.
Eine Chronik berichtet von 1633 über das Niederbrennen von 75-80 Häusern in dem kleinen, elsässischen Dorf Schlierbach, ähnliches geschah 1632 in Landser und 1635 in Dietwiller.
Noch heute erinnern in Deutschland viele Ortsnamen mit der Silbe „Wüst-„ an die Verheerungen des langen Krieges, z.B. Wüstendorf, Wüstenroth, oder Wüstensachsen .
In jener traurigen Zeit liegt auch das Ende der einst so ruhmreichen Burgenherrlichkeit im Elsass. Wehrte sich eine Burg nicht und öffnete den Schweden die Tore, wie die Hochkönigsburg, wurde sie nur besetzt und erst beim Abzug zerstört. Wehrte sie sich jedoch von Anfang an, so war sie schon bei der Eroberung eine Ruine. Manchmal wurden sogar noch Ruinen umkämpft, wie zum Beispiel Schirmeck. Hohlandsburg, Schloss Hohnack, Bilstein, Hochkönigsburg, Landsberg und viele andere wurden Ruinen. Auch das Kloster Odilienberg blieb nicht verschont.
Auch über das Schloss Höhingen bei Achkarren ist noch einiges bekannt. Höhingen war eine bedeutende militärische Anlage, in unmittelbarer Nachbarschaft zur stark umkämpften und strategisch wichtigen Festung Breisach. Sie wurde im Jahre 1620 vom Markgraf als Trutzfeste ausgebaut und in Verteidigungszustand versetzt. Den von hier aus konnten die Kriegsereignisse im Rheintal, vor allem aber die Festung Breisach leicht beobachtet werden. In einem Bericht des Breisacher Bürgermeisters und des Rats an den kaiserlichen Statthalter der vorderösterreichischen Lande in Waldshut, wird das Schloss Höhingen wie folgt beschrieben:
„ Seine Lage war vortrefflich, da es mitten auf des Berges Gipfel auf hartem Fels stand, welcher wegen seiner Gräde einen schweren acceβ (=Zugang) hatte und von keinem der umliegenden Orte konnte commandiert werden. Das Gebäu war von einem starken Mauerwerk, einerseits mit einem tiefen Graben umgeben, anderseits stieβ es auf ein unbesteiglichs praecipitium (=Abgrund), welches von unten her zu einer Steingruben gebraucht wird. Das Schloβ hatte eine gute Cisterne“.
1633 erfolgte ein Angriff der Besatzung von Breisach auf das Schloss Höhingen. Die Kaiserlichen eroberten das Schloss und nahmen sämtliche Vorräte mit nach Breisach, darunter auch 100 Saum (=14550 Liter) Wein. Dadurch ging auch das Eigentum, welches Bürger aus den umliegenden Ortschaften, vor allem aus Ihringen, auf das Schloss gerettet hatten verloren. Ihringer Bürger büssten damals alleine 200 Pferde und 300 Stück Vieh ein.
In der nachfolgenden Zeit wurde das Schloss mehrfach belagert und beschossen. Als die kaiserliche Besatzung das Schloss nicht mehr halten konnten, steckten sie es in Brand und kämpften sich nach Breisach durch. Bald erschienen französische Truppen, Breisach und Achkarren wurden französisch, was auch der Westfälische Friede 1648 bestätigte.
Burkheim wurde im Juni 1633 von den Schweden besetzt, aber im Herbst gewannen die Kaiserlichen das Städtchen zurück. Es wäre aber verfehlt, von einer Befreiung zu sprechen. Hatten schon die Schweden fürchterlich gehaust, so wurden die Bewohner nun durch die Kaiserlichen von allem „befreit“, was die Schweden übrig gelassen hatten. In den Quellen ist von einer „totalen Zerstörung“ die Rede. Es wird berichtet, dass ausser der Kirch, dem Pfarrhaus und einem kleinen Nebenhaus kein Gebäude der Vernichtung entgangen sei, sogar die Laufbrunnen waren zerstört und die Pflastersteine ausgerissen.
Wie tief sich die Ereignisse von damals in die Gedächtnisse der Menschen eingegraben haben, kann man daran erkennen, wie sich noch heute , fast 400 Jahre später mancherorts Traditionen und Andenken bewahrt haben.
Wie das schweizerische Städtchen Rheinfelden damals gegen die Schweden verteidigt wurde, ist auf einer Gedenktafel nachzulesen, welche 1976 von den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt zum Gedenken an die schreckliche Zeit an einer Hauswand angebracht wurde. Ein Glockenspiel erinnert täglich mehrmals an die Begebenheit:
Es war in der Zeit des 30-jährigen Krieges 1618-1648, als die Schweden vor den Toren unserer Stadt lagen. Seit Wochen beschossen sie Mauern und Türme. Die Rheinfelder wurden mutlos und waren geschwächt durch Hunger und Krankheit. Als die Not am grössten war, kam dem Schneider die rettende Idee. Er lies sich in das Fell eines Ziegenbockes nähen und stieg unter lautem Gemecker auf die Zinnen der Stadtmauer. Die Schweden, selbst der langwierigen Belagerung müde, sahen das fette Tier. Sie meldeten den Vorfall ihrem Kommandanten mit dem Vermerk, die Stadt sei noch lange nicht auszuhungern. Da anscheinend noch genügend Lebensmittel vorhanden seien. Die Schweden zogen ab. Der tapfere Schneider, der für unsere Freiheit auf die Mauer gestiegen ist, hat unter Einsatz seines Lebens die Stadt gerettet. So ist seine Tat lebendig geblieben.
Das Glockenspiel soll alt und jung immerfort und stets an die Tapferkeit dieses Schneiders erinnern.
In Dankbarkeit Bürgerinnen und Bürger der Stadt Rheinfelden - 1976
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Das Rheinfelder Glockenspiel mit der angedeuteten Stadtmauer, auf der täglich mehrmals zum Klang der Glocken ein Ziegenbock erscheint. |
Auch in Überlingen ist der „Grosse Krieg“ nicht in Vergessenheit geraten. Während der schrecklichen Zeit, gelobten die Überlinger als Dank für ihre Befreiung jährlich eine Prozession abzuhalten. Man lies eine Marienstatue, die „Schwedenmadonna“ aus Silber fertigen. Diese wird seither jährlich an den historisch belegten Daten durch die Stadt getragen.
Im Elsass wütete der Krieg nicht weniger verheerend als im Breisgau. Von wehrhaften sundgauerischen Bauern wird berichtet, sie hätten gefangene schwedische Offiziere an der Strasse angepflockt, und jeder durfte mit ihnen machen was er wollte, bis sie durch den Tod erlöst wurden. Die Rache der Schweden war danach um so schlimmer.
Als Pfirt 1632 in die Hände der Schweden fiel, überfielen die Sundgauer Bauern die Stadt und die Burg, machten die Garnison nieder und warfen den schwedischen Oberstleutnant in den Burggraben. Doch im folgenden Jahr nahmen die Schweden die Stadt bund die Burg wieder ein. Die obere Burg wurde dabei gänzlich ausgebrand und nicht mehr aufgebaut.
In Landser im Sundgau wurden 650 Bauern auf freiem Felde erschlagen und bei Dammerkirch, heute Dannemarie 1600 Bauern auf dem Kirchhof, den sie zur Festung ausgebaut hatten (wie im Bauernaufstand) erbarmungslos niedergemacht. So steht in den Sterberegistern der beiden Steinbrunn hinter manchem Namen: atrociter occisus. Die Sundgauer Bauern haben sich tapfer gewehrt, das Pfirter Schloss wurde zurückerobert und Altkirch befreit, der Schwede vertrieben. Aber der Übermacht erlagen die Bauern schliesslich doch, in Blozheim wurden sie eingeschlossen, an allen vier Ecken zündeten die Schweden das Dorf an, wer nicht in den Flammen ums Leben kam, den knüpften die Feinde an den Bäumen längs der Strasse nach Bartenheim auf. Hier sollen durch den schwedischen Obristen Harpf 1000 Bauern ums Leben gekommen sein. In einer sundgauer Dorfchronik ist zu lesen, dass in Folge dieser Vorgänge „Scharen von Hunden vom Frasse der unbegrabenen Leichen toll geworden wären und Menschen und Tiere angefallen hätten. Mütter assen ihre Kinder und in Colmar musste man die Gräber vor den Hungrigen bewachen. Bemerkenswert ist, dass am 27. November 1632 aus dem Sundgau 400 Bauern in Kenzingen und auf Schloss Lichteneck erschienen, und um Schutz und Obdach baten.
An das Massaker bei Landser erinnert heute noch eine Kapelle mit einem Steinkreuz davor. Der Text auf dem Sockel lautet (unleserliche Stellen in roter Schrift):
CHAPELLE Ste APOLLINE STEINBRUNN-LE-BAS MEMORIAL DE 650 PAYSANS MASSACRE PENDANT LA GUERRE DE 30 ANS 7 FEVRIER 1633 RESTAUREE 1986
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Die vormals fruchtbaren Felder verödeten zusehends. Anbauversuche konnten keinen Erfolg mehr haben, da durchziehende oder lagernde Truppen alles schon vor der Reife wegschnitten. Auch das Obst an den wenigen Bäumen war vor dem Zugriff der Soldaten und der Lagerdirnen nie sicher. Schliesslich war auch kein Kraut und sonstiges Gemüse mehr aufzufinden. Weite Strecken im Breisgau und im Elsass waren nun nur noch mit Unkraut und Sträuchern bedeckt.
Die Bewohner der Ortschaften nahe dem Rhein konnten sich im Rheinwald und auf den Rheininseln verstecken, wo sie ziemlich sicher vor Überfällen waren. In der Wyhler Ortschronik wird berichtet, dass auch einiges Vieh, Hühner, Enten und Gänse mitgenommen werden konnte, soweit es nicht schon geraubt, davongeflattert und weggeschnappt worden war.
Selbst unter den Soldaten, ob kaiserlich oder schwedisch war im Elsass und im Breisgau der Hunger so gross, dass man nur noch danach trachtete, überhaupt etwas geniessbares zwischen die Zähne zu bekommen. Und nachdem der Soldat genau so hungern musste wie der Bürger und Bauer, ging Gewalt noch mehr vor Recht als bisher. Die einst verwöhnten Soldaten waren jetzt keine Kostverächter mehr. Katzen, Ratten und Mäuse waren begehrte Leckerbissen. Unter den Bauern kam es sogar vor, dass ganze Grundstücke für einen guten Braten eingetauscht wurden. So soll auch der Hundsacker in Wyhl, am Sasbacherweg gelegen, um jene Zeit gegen einen Hund eingetauscht worden sein.
In diesen schlimmen Zeiten kam auch das kirchliche Leben fast völlig zum erliegen. Viele Geistliche aus der Region suchten und fanden im neutralen Basel Zuflucht. Im Staatsarchiv ist ein Verzeichnis von 36 Pfarrern und ihrer Angehörigen aus den Herrschaften Rötteln, Sausenburg und Badenweiler vorhanden, die eine Bittschrift an den „ehrsamen und wohlweisen Rat dieser löblichen Stadt Basel um fernere gnädige protektion“ richteten.
Wie schwer es die Geistlichen hatten, wird aus einer Klageschrift eines Pfarrers ersichtlich, welcher während des Krieges in Basel leben musste. Er richtete sein Schreiben an den Markgrafen und klagt darin über das geringe Entgegenkommen des Schaffners vom Stift St. Alban in Basel. Er schrieb: „Nun viele Jahre her fast nichts an Besoldungen empfangen, allererst aus dem bitteren Exil (gemeint ist der Aufenthalt in Basel) gekommen, darinnen ich mit 9 unerzogenen Kindern um alles und in unerträgliche Schuldenlast gekommen bin“.
Und der Pfarrer von Herbolzheim schrieb:
„Als am 25. Dezember des Jahres 1632 Kenzingen von den Schweden das erstemal eingenommen und auch Herbolzheim geplündert wurde, hatten auch die Pfarrhöfe dasselbe zu erleiden. Meine Bücher wurden teils weggenommen, teils verbrannt, teils zerrissen. Auch das Taufbuch wurde übel zugerichtet. Im Eingang dieses Buches standen viele denkwürdige Dinge, die von meinen Vorgängern und mir aufgezeichnet wurden; der Feind aber hat sie beanstandet und herausgerissen; sie enthielten die Taufregister vieler Jahre; das Taufbuch reicht daher jetzt nur noch bis zum Jahre 1597 zurück. Die älteren Kirchenbücher sind alle von den Soldaten vernichtet worden“.
Später lesen wir noch: „Im Jahre 1637 – 1640 wurden in Herbolzheim keine Ehe geschlossen, weil keine Menschen vorhanden waren, ebenso in Wagenstadt und allen anderen Ortschaften unserer Gegend“.
Kirchen wurden als Truppenunterkünfte und als Ställe für die Pferde benutzt. Die kirchlichen Geräte, Glocken, Statuen, Goldleisten, Bleifassungen wurden geraubt, das Gestühl, Türen, Rahmen, Schränke und Truhen fielen dem Lagerfeuer zum Opfer. In Hugstetten haben die Schweden die Monstranz geraubt. Die Monstranz in der Buchheimer Kirche liesen sie stehen; sie war aus Holz. In der ganzen Markgrafschaft Hochberg waren zeitweise nur noch zwei evangelische Pfarrer tätig. Pfarrer Thomas Resch amtierte rechts der Elz in Malterdingen, Friedrich Bürcklin links der Elz in Bahlingen, er versah auch noch den Dienst in Eichstetten. Der aus Hüningen geflüchtete Pfarrer Balthasar Carlin hatte 1632 seinen Pfarrkindern erlaubt, Neugeborene mit den Häretikern taufen zu lassen unter der Bedingung, daß nach dem Abzug der Schweden die Taufe in der Kirche von Hüningen wiederholt werde.
Wer sein Leben trotz Kriegshandlungen behalten durfte, war von der Pest oder von Wölfen bedroht, welche sich in jenen Jahren sehr vermehrten und sich von Jahr zu Jahr dreister zeigten. Vom Oppenauer Tal ist überliefert, dass die Menschen zunehmend wieder von Wölfen behelligt wurden und bis gegen das Jahr 1700 Schiess- und Fangprämien in den Gemeinderechnungen auftauchten.
1628 forderte die Pest in Basel 2600 Opfer, rund ein Fünftel der Bevölkerung der Stadt.
Die Stadt Kenzingen zählte vor dem Krieg etwa 2000 Einwohner; am Kriegsende waren sie auf 300 zusammengeschmolzen. Und noch im Jahre 1721 zählte Kenzingen nur etwa 900 Seelen.
Burkheim, das 1629 noch 455 Einwohner zählte, hatte 1640 gerade noch 41, Bischoffingen von 400 noch 20 bis 25 in neun Familien. Von Eichstetten wird berichtet, dass von 208 Häusern nur noch 99 standen, wovon die meisten aber beschädigt waren. Von mehreren 100 Haushaltungen waren nur noch 12 bis 15 übrig geblieben. Die Bevölkerungsabnahme in der Markgrafschaft Hochberg betrug durchschnittlich 77 Prozent. Auch in Achkarren lebten drei Jahre nach Friedensschluss nur noch etwa 58 Seelen.
1638 wurde Breisach beagert. Von allen Seiten schloss sich um das letzte kaiserliche Bollwerk der eiserne Ring. Die halbverhungerte Garnison unter dem energischen, elsässischen Freiherr von Reinach wehrte sich zwei Monate lang tapfer.
Ein Bericht über Breisach an die österreichische Erzherzogin Klaudia sagt:
„Die Stadt ist vielfach zerstört und gleicht wegen ihrer Unsauberkeit mehr einem Dorf. Überall herrscht Hungersnot und Armut, so dass die Leute aus Mangel an Kräften nicht mehr arbeiten können und nach und nach auf den Gassen Hungers sterben; sie können ihren Hunger auch nicht mehr mit verendeten Pferden sättigen. Von den dereinst 1500 Bürgern sind kaum noch 400 übrig“
Nicht die Waffen, sondern eine aufs höchste gesteigerte Hungersnot bezwang die Feste. Am 17. Dezember 1638 ergab sich von Reinach unter ehrenvollen Bedingungen.
Der ganze Sundgau war eine Einöde. In 35 Ortschaften des Amtes Altkirch hausten insgesamt noch 30 Familien. In Markolsheim lebten noch 18 Bürger, in den einst so schönen Rieddörfern schwankte deren Zahl zwischen 2 und 10 pro Ort.
Während der Schlacht bei Ettenheim am 25. August 1637 wurde die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Nur das alte Schlachthaus, das frühere Spitalgebäude und zwei Privathäuser blieben von den Flammen verschont.
Wie es um jene Zeit in unserer Gegend ausgesehen haben mag, kann man aus einer Äusserung schliessen, die Grimmelshausen in seinem realistischen Roman dem Kumpan des Simplizissimus, Oliver, in den Mund legt, als die beiden sich 1638 bei Endingen trafen und Simplizissimus weiter wandern wollte: er, Simplizissimus, werde von Endingen bis an die Kinzig weder Hund noch Katze, viel weniger einen Menschen antreffen.
Ein Augenzeuge schildert die Ausschreitungen der Kaiserlichen im Sundgau folgendermassen:
"Manns- und Weibspersonen werden über die Massen unerhörter Weiss gebeinigt, aufgehenkt, geknebelt, Tränk eingegosen, unter die Weibspersonen fueren (Feuer) gemacht"
Marschall Gallas schilderte dem Kaiser den trostlosen Zustand seiner Armee, welche Breisach als Zentrum hatte:
"Sie haben kein Kleid am Leib, kein' Schuh an den Füssen, die Reiter haben kein Pferd, noch Sattel, noch Stiefel. Die Soldaten essen nur noch Brot aus Eicheln, gemahlener Baumrinde oder Spreu"
Die Rückkehr der sich versteckt gehaltenen Bevölkerung konnte nicht ausreichen, wieder ein geordnetes und geregeltes Leben, sowie die gewohnte Feldbestellung in Gang zu bringen. Die grossen Menschenverluste sollten wenigstens zum Teil durch Einwanderungen ersetzt werden. Der Zuzug erfolgte überwiegend aus jenen Gebieten, die von den Verwüstungen und Menschenschlächtereien des grausamen und langen Krieges weniger betroffen waren. So kamen Zugewanderte hauptsächlich aus der Schweiz, zum Teil auch aus Tirol, ihr Anteil an der Bevölkerung betrug dann bis zu 40%.
Ein einzigartiges Zeugnis jener Zeit ist in den autobiografischen Notizen eines Söldners überliefert. Er hatte 25 Jahre in den verschiedensten Armeen gedient und dabei eine Art Tagebuch geführt.
Hier ein kleiner Einblick:
„Von Pforzheim nach Durlach. Stillgelegen und den Schwedischen, was noch übrig geblieben ist, mit kommandiertem Volk nachgegangen bis an die Brücken von Strassburg. Hier in Durlach ist guter Wein gewesen. Da haben wir wieder Kirchweih gehabt, alles ist Beute gewesen. Hier hab ich wieder Hemden bekommen, und mein Junge hat ein Pferd, einen Schimmel erbeutet. Bin wieder wohl gestanden“.
Die folgende Notiz wurde nach der berühmten Schlacht von Nördlingen geschrieben:
„Diesmal hat mich der Allmächtige sonderlich behütet, so dass ich dem lieben Gott höchlich dafür Zeit meines Lebens zu danken habe, denn mir ist kein Finger verletzt worden, da ansonsten kein einziger von allen, die wieder zum Regiment gekommen sind, ohne Schaden gewesen ist“.
Niemals zuvor, weder in den Alemannenkriegen, noch nach den Bauernunruhen hatte es in diesem reichen und schönen Land zwischen Schwarzwald und Vogesen so ausgesehen, war es um die Region so schlimm gestanden.
Dr. Futterer beschrieb die damalige Situation eindrücklich mit den Worten:
„Jene Jahre waren wirklich Jahre der Verzweiflung und des Unglücks. Vielleicht hat das Volk gesündigt oder dessen Eltern und Vorfahren, weil der Herr es mit der Rute seines Zorns so heimgesucht hat. Dies wenigstens in Kürze anzudeuten, soll schon genügen. Wer möchte das Unheil jener Zeiten, wer möchte das Verderben in Erzählungen darstellen, oder wer möchte erzählend die Tränen trocknen. Alles mischt sich mit Seufzen und Wehklagen und einem widerlichen Kriegslärm, bis in den Keller hinein dröhnten die Häuser von dem Wehklagen der Weiber, überall ein grausamer Jammer, überall Schrecken, weithin nur ein Bild des Todes!“
Aller Friede kommt nach den Narben
René Schickele 1925 in „Das Erbe am Rhein“
Geschichte des Elsass, Dr. Lucien Sittler, 2 Bde, Verlag Alsatia Colmar
Das Elsass und seine Geschichte, Hermann Schreiber, Weltbild Verlag
Ortssippenbuch Altdorf
400 Jahre evangelische Kirche in Bötzingen, 1983
Eichstetten 1052 – 1952, Adolf Gänshirt, 1952
Geroldsecker Land, Heft 19/1977
Ortschronik Achkarren, Dr. Adolf Futterer, 1969
Der Sundgau, Paul Stintzi, Schillinger Verlag, 1985
Die Geschichte des Dorfes Bickensohl, Oskar Sator, 1974
Heimat im Bild Vogtsburg, 1985
Ortschronik Wyhl, Fritz Späth, 1963
Aufsätze zur Geschichte Ettenheims, Dr. Joh. B. Ferdinand, 1980
Grundzüge der Geschichte, Verlag Moritz Diesterweg
In Hügelland des vorderen Sundgaues, Paul Stintzi, Alsatia Verlag
Geschichte des Oppenauer Tales, Josef Börsig, Stadt Oppenau
1200 Jahre Burkheim, Stadtverwaltung Burkheim, 1962
Aus der Geschichte von Hauingen, C. Mennicke, 1926, Selbstverlag
Geschichte des Dorfes Ballersdorf, T. Walter, Altkirch, 1894
Der Pfirter Bauernaufstand von 1633, T. Walter, Altkirch, 1910
Ein Söldnerleben im Dreissigjährigen Krieg, Jan Peters (Hrsg), Akademie Verlag Berlin, 1993
Kenzingen, aus der Geschichte der Stadt, 1953
Geschichte der Stadt Schopfheim, August Eberlin, 1878
Friesenheim, eine Ortsgeschichte, 1973
Hüningen, Lucien Kiechel, Uehlin Druck Schopfheim